Roadtrip an Nord- und Ostsee

Liebes Tagebuch,

im letzten Skiurlaub im März 2020 hatten noch alle Mitreisenden gehofft, dass sich die gesundheitspolitische Lage rund um die Sars-CoV-2-Pandemie in der Welt wohl doch noch entspannen wird. Seitdem habe ich einige Wochen im Homeoffice verbracht und viele berufliche und private Veränderungen durchlebt, die mir zeigten, dass obwohl einige von mir geliebten Tagebuchmomente, über die ich hier schreibe, so nicht mehr möglich waren, sich gleichzeitig aber Neue offenbarten oder anders wahrzunehmen waren. Die Entschleunigung durch den gesellschaftlichen Lockdown gab mir Gelegenheit über viele Dinge nachzudenken und einmal mehr den Fokus auf die wirklich wichtigen Menschen, Werte und Momente zu setzen. Das ist der Grund, warum es in meinem ersten Beitrag nach der langen Corona-Pause natürlich um eine Reise geht; raus aus den eigenen vier Wänden und rein in ein neues Abenteuer.

In der Planung unseres nächsten Urlaubs machte mir mein Mann das flexible Reisen im Van schmackhaft. Ich habe als Kind eher keine Urlaube auf Campingplätzen verbracht und hatte dementsprechend auch keine emotionale Verbindung dazu. Warum überhaupt die Unannehmlichkeiten dieser Art zu reisen im Gegensatz zu Ferienwohnung oder Hotel auf sich nehmen? Aber gut, ich ließ mich schlussendlich dazu begeistern.

Wir buchten also unseren Van – den klassischsten, den man sich vorstellen kann – und stellten mit Erschrecken fest, dass in den Niederlanden noch keine sanitären Anlagen auf den Campingplätzen geöffnet waren. Also musste es eine Kategorie größer werden: Kastenwagen mit integrierter Nasszelle. Ob das immer noch so gemütlich wie ein Hippie-Van ist? Ich versuche meist, aus allem das Beste zu machen, insofern hieß die Devise, sich einfach darauf einzulassen und offen zu sein für neue Erfahrungen. Auf in das Abenteuer „Roadtrip von der Nord- zur Ostsee“.

Die ersten vier Nächte buchten wir im Vorhinein fest und blieben jeweils zwei Nächte an einem Ort. Das gab mir Sicherheit und einen einfacheren Einstieg in das „Vanlife“, als direkt damit einzusteigen, was wir danach taten: täglich den Stellplatz wechseln und erst abends nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Dank der App park4night fanden wir immer geeignete Stellplätze – vielen Dank an die Community, die dort schöne Picknickplätze in der Natur, Campingplätze, kostenlose Parkplätze für Camper, und vieles mehr einpflegt.

NORDSEE: ZEELAND

Wir fuhren also mit einem vollbepackten Auto zur Mietstation für den Campervan, ließen uns erklären, was dabei zu beachten ist und räumten unseren Krams ein. Es fühlte sich fast so aufregend an wie wenn man gemeinsam in eine neue Wohnung zieht und überlegt, wo alles hinkommt und wie man sich gemeinsam strukturieren möchte. Als das Gröbste sicher verstaut war, wollten wir Strecke machen und fuhren los in Richtung Meer. Nach dreistündiger Fahrt kamen wir in Renesse an, parkten auf einem Supermarktparkplatz (ja, das geht auch mit einem 5,40m langen Gefährt noch) und besorgten Nahrungsmittel für ein paar Tage. Einfach genial, wenn man die Küche mobil mit dabei hat und direkt alles einräumen und kühlen kann.

Auf dem Campingplatz angekommen, fuhren wir die Markise aus, hängten die Lampions auf, grillten und lasen uns gegenseitig aus einem Buch vor. Einfach schön.

Die erste Nacht verbrachten wir auf der Schlafmöglichkeit im hinteren Teil des Vans (nicht im Dachzelt), weil ich so schnell friere und dachte, dass es dort wärmer sei als unter dem Aufstelldach. Die Beengtheit überwog jedoch im Verlauf der Reise meinen Wunsch nach Wärme und so verbrachten wir die kommenden Nächte im Dachzelt – bis auf eine Gewitternacht, in der es so laut und stürmisch war, dass ich nicht einschlafen konnte und doch nach unten umzog. Warme Schlafsäcke sind auf jeden Fall zu empfehlen und auch hatten wir unsere Kissen mit dabei, was das Ganze noch heimeliger machte.

Die Sonne weckte uns am Morgen und wir hatten Lust, das gute Wetter zu nutzen und eine Fahrradtour zu machen. Wir hatten zwar unsere eigenen nicht dabei, aber man kann an jeder Ecke in Renesse Fahrräder leihen und so kam es, dass Daniel sich ein Mountainbike lieh und so auf seine Sporteinheit kam und ich gemütlich mit dem E-Bike mithalten konnte. Der Trip verlief direkt hinter den Dünen auf einem Weg, der aus zerkleinerten Muscheln bestand, durch Heidelandschaft und kleine Dörfchen. In Burgh-Hamstede schlenderten wir durch die Innenstadt und genossen leckere Burger in der Sonne. Auch Meerluft tanken sollte nicht zu kurz kommen, jedoch war es so stürmisch, dass unser ‚Windschutz‘ am Strand eher ein Windfang wurde und wir alle Mühe hatten, nicht weggeweht zu werden. Insofern, ja, die frische Luft war da, aber wir konnten sie weniger genießen und brachen das Experiment ‚Windschutz an der Nordsee aufstellen‘ vorzeitig ab und radelten weiter.

Der nächste Stop des Roadtrips führte uns nach Den Haag, wo wir in der Innenstadt den Binnenhof anschauten und beeindruckt waren von der mittelalterlichen Architektur (siehe Foto). Auf einigen von alten Gebäuden und großen Bäumen gesäumten Plätzen konnte man gemütlich in Bars und Restaurants sitzen, was wir zum Mittagessen auch taten.

Abends checkten wir auf einem Campingplatz in der Nähe ein und genossen den nächsten Tag am Strand. Die Füße im Sand, kreischende Möven auf der Suche nach Futter, viele gut gelaunte Leute bei super Wetter – das war wirklich ein toller Tagebuchmoment.

OSTSEE: RÜGEN 

Steilküste und Reethäuser in Vitt
Da ich unbedingt Rügen kennenlernen wollte, fuhren wir dort am nächsten Tag hin ohne, dass wir weitere Campingplätze reserviert hatten. Auch mit dieser Spontaneität und Flexibilität machten wir gute Erfahrungen. Wir planten unsere Tage und fuhren von einer Sehenswürdigkeit zur anderen und als wir mit dem Programm für den Tag fertig waren, suchten wir mit der App Park4Night nach nahegelegenen Übernachtungsmöglichkeiten.

Als erstes entdeckten wir den Westen der Insel auf Ummanz. Dort genossen wir den Sonnenuntergang über der Ostsee mit Blick auf Hiddensee in der Ferne. Viele Camper saßen mit ihren Campingstühlen, einer Decke über den Knien und einem Getränk in der Hand direkt am Meer und schauten dem Farbenspiel der untergehenden Sonne zwischen kleinen Fischerbooten und Stand up Paddlern zu während Mückenschwärme über sie herfielen.

Am darauffolgenden Tag ging es zu der weißen Kalkstein-Steilküste, wir hielten jedoch mehrfach auf dem Weg zum Nationalpark Jasmund an, da es so schöne reetgedeckte moderne, aber auch schon ältere, teils verwitterte Häuser anzusehen gab, z. B. die St. Marien Kirche (Am Focker Strom 17, 18569 Ummanz) mit Blick auf einen klitzekleinen Leuchtturm und auf’s Wasser vom Friedhofsgelände aus. Daneben befanden sich kleine Kunsthandwerksläden, in denen man allerlei Keramik und andere schöne Dinge kaufen konnte.

Über schier unendliche Alleen, die von den Blättern der alten Bäume überdacht waren, kamen wir am Parkplatz Nationalpark Jasmund an (Großparkplatz Hagen). Ab da kann man nicht mehr mit dem Privat-PKW weiterfahren, sondern entweder man wandert (Fahrradfahren ist im Wald auch verboten) oder man fährt mit einer Touristen-Bahn zum Königsstuhl. Der Wald, per Definition ein Urwald, ist der kleinste Nationalpark Deutschlands mit seinen 30km2. Zwischen hohen Eichen, Mooren und Seen gelangt man nach ca. 2 km zum Touristenzentrum des Königsstuhls. Dort kann man Tickets zum Königsstuhl kaufen, was wir eben nicht wollten, da man die malerische Klippe ja dann gar nicht sehen kann, wenn man direkt auf ihr steht.. Also wanderten wir ein bisschen weiter (und ganz nebenbei sogar kostenlos) in einer ca. 1km langen Schleife durch den Wald, von dem man an drei Stellen den Ausblick auf den Königsstuhl genießen konnte. Wobei „genießen“ relativ ist, da man sich jeweils in einer Schlange anstellen musste, um von einer Plattform aus die Kreidefelsen zu sehen. Dies musste natürlich schnell gehen, da die Schlange hinter einem ja wartete. Einmal taten wir es uns an und ich finde, es hat sich wirklich gelohnt, da man sonst die Kreidefelsen nicht gesehen hätte. Nach einer Stärkung im Restaurant ging es zurück zum Parkplatz und als nächstes fuhren wir nach Norden bis Putgarten, weil ich im Reiseführer gelesen hatte, wie toll die Häuseransammlung Vitt sein sollte.

Baumwipfelpfad, Binz und Sellin

Von Putgarten kann man entweder Fahrrad fahren, wandern oder mit einer Touristenbahn zum Kap Arkona und Vitt fahren. Vor 17 Uhr sollte man zurück am Parkplatz sein, zumal dann auch alle Geschäfte in Vitt schließen. Ich war schon ko und es war relativ spät, also nahmen wir den Zug, stiegen aber in den falschen ein, der zu Kap Arkona fuhr – dabei wollte ich doch das alte Dorf Vitt sehen. Glücklicherweise sagte der Zugfahrer, dass man von Kap Arkona nach Vitt laufen und von dort aus wieder die Bahn nehmen könne. Also schauten wir uns am Kap kurz die zwei Leuchttürme an und spazierten dann entlang der Steilküste in Richtung Vitt. Ich hatte mir die Häuser irgendwie spektakulärer vorgestellt, da sie für mein Auge nicht besonders anders waren als diejenigen, die wir schon vorher in den Dörfern gesehen hatten.

Anschließend stärkten wir uns mit sehr leckeren gutbürgerlichen Gerichten im Restaurant Utspann (Dorfstraße 24, 18556 Putgarten, Reservierung empfohlen) und gingen auf Stellplatzsuche.

Wir fuhren drei Stell- und Campingplätze an bis wir am Campingplatz Am Wasser einen freien Platz fanden: zwischen Bodden und Ostsee unter hohen Bäumen fanden wir ein tolles Plätzchen für die Nacht (Wittower Str. 1-2, 18556 Breege). Sehr zu empfehlen. Das nächtliche Gewitter machte die Übernachtung im Dachzelt ein wenig ruppig, aber es war irgendwie auch meditativ, den Regentropfen gegen die Zeltwand klopfen zu hören.

Für den nächsten Tag standen der Baumwipfelpfad (Forsthaus Prora 1, 18609 Binz), Binz und Sellin auf unserem Plan.

Auf dem Baumwipfelpfad lernten wir einiges über die Funktionsweise von Bäumen und genossen den Perspektivwechsel, den man sonst nicht so oft hat: Auf Augenhöhe mit der Baumkrone zu sein war wirklich spannend. Ein konstanter Anstieg auf einem breiten Weg (ich war erinnert an den in der Kuppel des Bundestagsgebäudes) machte den Weg sogar barrierefrei. Oben wartete ein spektakulärer Ausblick über viel Wald in Kombination mit Ostsee und Bodden. Der Eintritt hat sich definitiv gelohnt.

Unser Roadtrip ging in Binz weiter. Die wohlhabend wirkende Stadt direkt am Meer mit ihren weißen, sehr aufwändig dekorierten Balkonen beeindruckte uns nicht so sehr wie Sellin, mit seinen riesigen Villen und, meinem persönlichen Highlight, der Seebrücke Sellin. Insidertipp: Kostenloser, sehr zentraler Parkplatz dort: Uhlenweg 1, 18586 Sellin.

Die Seebrücke, umgeben von Wasser, dahinter die Tauchglocke, mit der man auf den Boden der Ostsee fahren kann (Tickets werden vor Ort verkauft), ist wirklich eine tolle Location (in der man übrigens im ersten Stock auch heiraten kann). Wir beschränkten uns jedoch darauf, Kaffee und Kuchen dort zu genießen und konnten sogar in einem der begehrten Strandkörbe mit Blick auf das Meer und das Seebrückengebäude auf dessen Terrasse sitzen. Sowohl der Kaffee als auch der Käsekuchen war sehr lecker!

Den Tag beendeten wir auf einem Campingplatz direkt am Meer (Lobbe 32 a, 18586 Middelhagen) und machten es uns mit unseren Campingstühlen, einer Decke, warmem Kakao und einem guten Buch am Strand gemütlich – das hatte ich mir von den anderen Campern ja so abgeguckt.

Am nächsten Tag verließen wir Rügen, hielten kurz im Getränkeverkauf Störtebecker in Stralsund und fuhren dann durch Mecklenburg-Vorpommern auf der Suche nach einem Mohnfeld, was ich zum Glück auch fand (siehe Foto).

Nach einer Stippvisite in Sternberg und dem Sternberger See führte es uns zum Schweriner Schloss, einem sehr beeindruckenden Sitz für den Landtag. Ein Spaziergang durch den Schlosspark lohnt sich und auch von hinten sieht das Schloss sehr beeindruckend aus. Das Café im Garten „unter“ dem Schloss kann ich sehr empfehlen. Vom anderen Ufer aus kann man das Schloss aber bestimmt in seiner Gänze noch besser.

FAZIT

Wir hatten eine wirklich schöne Woche an beiden Meeren und wir konnten eine gute Balance finden zwischen Entspannung, Sightseeing und sportlichen Aktivitäten, sowie zwischen Zeit in der Natur und Städtetrip.

Natürlich gibt man durch das Camperleben ein bisschen Privatsphäre auf. Auch ist Spülen nicht unbedingt meine Lieblingsbeschäftigung, aber mein Mann übernahm im Urlaub alle anfallenden Arbeiten, sodass es für mich sehr entspannend war. Morgens aufzuwachen, und durch die Dachluke dem Mann beim Vorbereiten des Frühstücks zuzusehen hat definitiv seinen Charme. Das Reisen im Van, dem ich am Anfang eher skeptisch gegenüber war, stellte sich als schöner heraus als gedacht und brachte im Gesamteindruck mehr Vorteile mit sich, die einem Ferienhaus oder Hotel nicht direkt inhärent sind: Jederzeit eine Küche und eine Nasszelle dabei zu haben, nicht planen zu müssen, sich treiben lassen können und abends erst schauen, wo man gerade ist und dann dort bleiben, der Minimalismus des Packens und die kurzen Wege sind wirklich praktisch.

Insofern bin ich gespannt, ob wir in der Elternzeit auch mal mit dem Van unterwegs sein werden – das wird sich zeigen.

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